Aber warum ist jedes Wassersportfahrzeug eine Millionärsyacht? Die vom Rio Magdalena aus durch die Karibik nach Norden gehenden Fahrzeuge der Drogenspediteure werden einfach als Schmugglerboote bezeichnet. Nur wenn auf dem Rhein ein Boot von der Zollbehörde mit sechs Tütchen Koks aufgebracht wird, heißt es mindestens „Yacht“. Wenn sich vor Gericht ein älterer Herr mit einer Dame um die Liebesgebühr streitet war der Tatort stets eine Millionärsyacht. Der lesende Wassersportler erkennt im nachfolgenden Text unschwer mit welcher Art gestohlenem Fahrzeug der Dealer, seine sechs Tütchen über die Grenze gebracht hatte. Eine Yacht kann es nicht gewesen sein, denn da steht wörtlich: Außenbordrennboot. Diese Bezeichnung muß der Schreiber aus dem Sportteil übernommen haben, denn es klingt so schön reißerisch. Diese Bezeichnung ist so abwegig wie das Fahrzeug des Herrn Vettel mit einem Bretzelkäfer zu vergleichen. Und dann der Begriff Yacht. Genau genommen sind das die Fahrzeuge deren Eigner sich jeweils zum Wochenende per Hubschrauber zu ihrem Schiff in Saint Tropez bringen lassen. Aber das ist schon wieder untertrieben denn hier käme der Begriff „ Megayacht“ ins Spiel. Lassen wir’s dabei, die Begriffe sind fließend.
James Bond in Köln?
Absolut lustig ist hingegen jeder Krimi, wenn der Mörder über den Bildschirm spurtet. Er springt in ein Cabriolet welches mit laufendem Motor vor der Bank wartet. Er wirft die Plastiktüte mit den abgezählten und gebündelten Tausendern auf die Rückbank, rast stauumgehend quer durch die Stadt und zertrümmert die Schranke der Hafeneinfahrt. Der einzige freie Platz im Hafen ist oberhalb eines offenen Sportbootes. Genau dort eine Vollbremsung. Über die Tür springend verläßt er die offene Karosse und ist mit vier Sprüngen in einem Boot. Auch dort läuft der Motor bereits und Leinen, mit denen das Schiff am Steg vertäut ist, müssen nicht erst von Pollern und Klampen losgeworfen werden. Der Bug hebt sich in drei Sekunden steil gen Himmel und mit bildschirmrelevanter Heckwelle wird das offene Fahrwasser erreicht. In dem Moment kommt das Fahrzeug des zuständigen Polizeireviers, des Sondereinsatzkommandos oder des LKA auf der Pier in Sicht. Showdown ist nun angesagt, denn jeder Krimifan weiß, wenn er auf seine Uhr schaut, das nur noch 30 Sekunden Sendezeit zur Verfügung stehen. Nichts ist in einer halben Minute einfacher darzustellen. Das 5 m lange Fluchtfahrzeug explodiert spektakulär in Sichtweite. Feuerball wie Hiroshima. Aufatmen. Der Filialleiter der Bank ist zufrieden, die Geldtüte lag noch im Auto. Der böse Bube hat sich selbst seebestattet .Hier ist nun das Diskussionsthema auch für Nichtbootseigner: Wieso stehen immer Fahrzeuge mit laufendem Motor vor Banken? Wieso kommen nur Gangster ohne Stau vom Stadtzentrum zum Hafen? Liegen tatsächlich Boote, ohne mit mindestens zwei Leinen festgemacht, in Häfen rum ? Haben 150 kW Außenborder keinen Zündschlüssel notwendig und starten auf Zuruf? Wieso explodiert ein Boot und zudem mit solchem Feuerball? Wenn in Talkshows Polizeibeamte von unrealistischer Ermittlungsarbeit sprechen, so sind das für Wassersportler Science-Fiction-Präsentationen und James Bond läßt grüßen. Unsere Erwartungshaltung verlangt mehr realitätsbezogenen Szenenaufbau.
Marco Feltgen