SKIPPER-TRAUM: XL-Charteryachten selber fahren

Groß,größer, am größten

Kroatien in neuen Dimensionen: Das erste Mal am Steuer einer 20-Meter-Motoryacht ist ein besonderes Erlebnis und der Traum vieler Freizeitkapitäne. Wir nahmen die Herausforderung an und fuhren eine Star 1940 aus der Flotte von Offshore Boote.

Der Himmel verdunkelt sich mit rasender Geschwindigkeit und ich schalte die Maschinen ab. Denn eben festgemacht, liegen wir sicher an der Mole des kleinen Inselhafens Kaprije und können der sich in Kürze wohl heftig entladenden Unwetterfront ab jetzt gelassen entgegensehen. Ein Glas eiskaltes Helles, und die Anspannung der letzten Augenblicke vor und während des Anlegens löst sich in Wohlgefallen auf. Denn wir haben alles richtig gemacht. Während es anfängt, wie aus Kübeln zu regnen, erhalte ich diesbezüglich auch das positive Feedback meiner Crew. Sie bestätigt mir anerkennend ihre Erleichterung über meine Entscheidung, entgegen unserer eigentlichen Routenplanung diesen geschützten Liegeplatz rechtzeitig vor dem befürchteten Wetterumschwung anzulaufen. Dass mir dann auch noch das Anlegemanöver unter erschwerten Windbedingungen wie aus dem Lehrbuch gelingt, streichelt mein inneres Ego zusätzlich. So neigt sich, auch wenn diese Momentaufnahme anderes vermuten lässt, ein weiterer wundervoller Tag unseres einwöchigen Kroatientörns seinem genüsslichen Ausklang zu. Denn auch bei Wind und Wetter bietet unsere XL-Charteryacht mit fünf Doppelkabinen alle Annehmlichkeiten für unsere zehnköpfige Mannschaft und mit ihrem wohnzimmergroßen Salon den unbeengten Raum für gemütliches Zusammensein, auch bei strömendem Regen. 

Ich ziehe mich mit einem Drink auf das riesige, überdachte Achterdeck zurück und freue mich, dass ich bei noch angenehm warmen Temperaturen draußen trocken sitzen und die bereits vergangenen Tage gedanklich Revue passieren lassen kann. Denn nun ist es fast schon wieder vor-bei, unser Abenteuer, erstmals mit Familie und Freunden gemeinsam auf einer großen Motoryacht Urlaub zu machen. Trotz langjähriger Bootserfahrung und mehreren Chartertörns auf kleineren Schiffen in Kroatien waren wir uns der bevorstehenden Herausforderungen bewusst, wenn wir erstmals mit zehn Personen auf einer 19,40 Meter langen Flybridge-Motoryacht in See stechen würden. 

Die Törnvorbereitungen, zu denen für mich auch der Abschluss einer Skipperhaftpflicht- und Kautionsversicherung gehört, liefen bis auf die bohrenden Gedanken an die Hafenmanöver mit dem Riesenschiff routiniert ab wie immer. Nicht selten ertappte ich mich dabei, wie ich die 20 Meter Länge unseres Charterschiffes abschritt, mich umblickte, fünf Meter Breite abschätzte und sinnierte, ob ich wohl mit einer so groß dimensionierten Yacht zurecht kommen würde. Sicherheitshalber entschloss ich mich, da ich an den vom Vercharterer jeweils zum Saisonbeginn angebotenen, ausführlichen Skippertrainings zum Führen großer Yachten aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen konnte, unseren Törn mit einem Extratag im Heimathafen zu starten. Mit einem Coach wollte ich alle Hafenmanöver unter verschiedenen Bedingungen üben und auch die Mannschaft auf ihre kommenden Aufgaben trainieren. Zur Begeisterung von Skipper und Crew nahm sich Stützpunkleiter Stefan Breck selbst die Zeit, Skipper und Crew auf das Handling großer Yachten zu schulen. Und wir haben ausführlich und mit viel Spaß geübt. Im Nachhinein betrachtet war, die darin investierte Zeit sehr gut angelegt. Denn nicht nur ich am Steuerstand fühlte mich damit fit, die kommenden Situationen mit Ruhe und dem richtigen Gefühl für das Schiff bewältigen zu können. Auch bei der Crew, die nur zum Teil Bootserfahrung mitbrachte, entwickelte sich insbesondere durch die anfänglich verpatzten Einparkmanöver, die unser Coach durch geschicktes Eingreifen wieder ausbügelte, das entscheidende Bewusstsein, ein unabdingbarer Bestandteil der Mannschaft mit festen Aufgaben und nicht nur Gäste an Bord zu sein. Ein Teamspirit, der mit jedem neuen Ab- und Anlegen und der gemeinsamen Manöverkritik stärker wurde, bis wir uns neben der passenden Aufgabenverteilung auch in den Kommandos und den Crew-Ansagen richtig gut eingespielt hatten. Denn der Steuerstand auf der Flybridge unserer Star Yacht bietet zwar nach vorne einen hervorragenden, wenn im ersten Moment ob der schieren Größe des Schiffes auch beängstigenden Ausblick, nach hinten sieht man wegen des, das gesamte Achterdeck überragenden, Hardtops erst einmal gar nichts. Nach mehreren Stunden intensiven Trainings aber wurde das Schiff in meiner Wahrnehmung immer kleiner und handlicher. Ich war plötzlich nach hinten nicht mehr blind, sondern lernte mit Hilfe der Abstandsansagen der Crew zu Nachbarschiffen, Stegen und Murings und dem, was ich selbst sehen konnte, sehr gut zurecht zu kommen. Auch die Reaktionszeiten des Schiffes auf die beiden Maschinen im Vorwärts- und Rückwärtslauf, auf die manchmal notwendigen, jedoch immer mit Bedacht zu dosierenden Gasschübe, waren nach und nach verlässlich einschätzbar. Als später hilfreich erwies sich auch das Üben des Ablegens längsseits durch Ein-dampfen in die Spring, was bei einem so langen und schweren, vorne und hinten eng zugeparkten Schiff gegen den Wind eine echte Herausforderung für Skipper und Crew darstellt. 

Text & Fotos: Gerald Beranek

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