König an Bord
Die Costa Smeralda ist seit ihrem Aufstieg zur Jet-Set-Küste in den 1960er Jahren berühmt. Doch die Nordostküste Sardiniens zwischen der Isola Tavolara im Süden und dem Capo d’Orso im Norden hat noch wesentlich mehr zu bieten.
Der König kommt gerade aus der Imbissbude. Ob er einmal sein Flaggschiff zeigen mag? »Certo – aber sicher«, Toni lächelt freundlich. Er ist 84 und noch topfit. Tonino Bertoleoni, ein waschechter König, spaziert über die Kaimauer und klettert gelenkig an Bord der Invincibile. Sie ist das Flaggschiff seiner kleinen Flotte. Ein Kriegsschiff ist es freilich nicht. In Tonis Königreich herrscht ja auch Ruhe und Frieden. Der Re di Tavolara ist König eines kleinen Inselparadieses. Es liegt vor der Nordostküste Sardiniens – und nicht, wie man vielleicht meinen könnte, irgendwo in der Südsee. Die Isola Tavolara, das Reich von Toni ist aber kaum weniger spektakulär: Glasklares Wasser umspült hellen Sandstrand. Das Meer schimmert türkis, und senkrechte Felswände steigen in den tiefblauen Himmel. Wer Tonis Königreich einmal überblicken will, steigt am besten hinauf auf die felsige Krone des Inselparadieses, auf den höchsten Gipfel, den Punta Cannone. Der Ausblick ist gigantisch. Der König selbst hat ihn allerdings schon länger nicht mehr genossen. »In meinem Alter geht es nicht mehr so gut mit dem Klettern«, bedauert Toni. Tatsächlich ist die Besteigung des Inselberges ein ausgewachsenes alpines Unternehmen. 564 Höhenmeter sind keine Kleinigkeit, besonders nicht bei sommerlichen 28°C. Da springt man liebend gerne in die Wellen, wenn man den Strand wieder glücklich erreicht hat.
Die Isola di Tavolara ist ein über sechs Kilometer langes Bergmassiv, das vom Meeresspiegel steil aufsteigt. Es gibt wenig ebenes Gelände, das für die Landwirtschaft oder als Baugrund geeignet wäre. Früher sah man die Insel wohl als unfruchtbaren, wertlosen Berg an. So geschah es, dass König Carlo Alberto von Sardinien die Isola Tavolara 1836 an Paolo Bertolenoni verschenkte. Der Legende nach war Carlo Alberto in jenem Jahr auf der Insel angelandet. Paolo war ihm entgegengetreten und begrüßte ihn mit den Worten: »Der König von Tavolara begrüßt den König von Sardinien und wünscht ihm einen angenehmen Aufenthalt in seinem Reich!« Das amüsierte den angesprochenen König so sehr, dass er Paolo tatsächlich mit Brief und Siegel zum Inselkönig ernannte. Seitdem darf sich ein Spross der Familie Bertoleoni »König von Tavolara« nennen. Und heute hat Toni die Königswürden inne.
Den ganzen Artikel lesen Sie im SKIPPER 07/2015.
Text: Eduard Goßner