Sardinien

Mistral und Maddalena

Das Archipel der Isola Maddalena im Nordosten von Sardinien ist ein türkisblaues Inselparadies und ideal für einen entspannten mediterranen Cruise – zumindest solange der Mistral Ruhe gibt.

Der Mistral tobt gefährlich. Gefährlich selbst für die Ameisen auf der Isola de Maddalena. Wehe eine von ihnen kommt vom rechten Weg ab. Dann wird sie von den Sturmböen fortgerissen. Nicht umsonst haben die emsigen Krabbeltierchen ihre Ameisenstraße einen halben Zentimeter tief in den Boden gegraben. So sind sie vor dem rabiaten Wind geschützt. Mit 80 km pro Stunde peitscht er das Meer auf, Brecher rasen gegen die Küstenfelsen ganz im Nordwesten der Insel. Hier lässt der Mistral ungehemmt die Muskeln spielen. In der Straße von Bonifacio zwischen Korsika und Sardinien hat er Fahrt aufgenommen und braust genau in eine Lücke zwischen zwei Nachbarinseln auf Maddalena zu. Gischt schäumt viele Meter in die Höhe, eine Woge nach der anderen bricht sich an den Felsen. Die untergehende Sonne lässt die Wolken orangerot erglühen. Manche sehen aus wie übereinander gestapelte Untertassen.

Seit Tagen schon hält das Spektakel an. Gut vertäut liegen alle Boote im Hafen von La Maddalenas gleichnamiger Inselhauptstadt. Bei dem Wetter ist ein sicherer Hafen viel wert. Dass man sich vor dem Mistral in Acht nehmen muss, weiß auch Alessandro Petri. Er ist Capitano bei der Guardia Costiera und froh, dass die Freizeitkapitäne rund um Maddalena immer rechtzeitig einen sicheren Hafen anlaufen, wenn der Mistral loslegt: »In den letzten Jahren mussten wir keine mistralbedingte Rettungseinsätze durchführen. Allerdings gab es einige Schäden an Booten, die schlecht vertäut waren.« Maestrale – wie die Sarden den Mistral nennen – ist an der Nordküste von Sardinien besonders heftig, weil die nur zwölf Kilometer weite Meeresstraße zwischen Korsika und Sardinien für einen Düseneffekt sorgt und den Sturmwind so richtig in Schwung bringt. Vielen Schiffen ist das schon zum Verhängnis geworden. Nachdem es 1993 in der Straße von Bonifacio zu einem Tankerunglück gekommen ist, ist die Meerenge für Schiffe mit gefährlicher Fracht gesperrt. Ein Anzeichen für den Mistral können die linsenförmigen Lenticularis-Wolken sein. Am besten verfolgt man aber einfach die Wetternachrichten sehr genau, um keine böse Überraschung zu erleben. Bei einem Cruise rund um das Arcipelago di La Maddalena gilt im Allgemeinen: An der Westküste liegen deutlich mehr Windstärken an als an den Ostküsten. Wenn der Mistral losbricht, sollte man in jedem Falle in einem Hafen oder einer sehr gut geschützten Bucht liegen. Buchten mit herrlichen Sand- und Felsstränden gibt es auf den rund 60 Eilanden des Archipels reichlich.

Tiefblau spannt sich der Himmel über die Isola Spargi. Der Sturm hat sich endlich gelegt. Das Türkis des Wassers ist fast schon unwirklich. Bizarre, löchrige Granitskulpturen bilden mit ihren teilweise rostig rot-orangen Farben einen intensiven Kontrast. Eine Bucht mit feinem Sand lockt zum Baden. An einem Ende des Strandes steht Sara Masia im Schutz eines Sonnenschirmes. Auf einem kleinen Tisch hält sie für Besucher Informationsmaterial über die Tiere und Pflanzen auf der Insel bereit. »Spargi gehört zum Parco Nazionale dell‘ Arcipelago di La Maddalena«, erklärt die brünette junge Frau freundlich. »Alle Inseln des Archipels gehören dazu. Das umliegende Meeresgebiet, und außerdem auch noch mehrere Inseln weiter südöstlich an der Costa Smeralda.« In dem 1994 gegründeten Nationalpark sind über 700 Pflanzenarten beheimatet, darunter 50 endemische Arten. Als Brutgebiet sind die Inseln ein wertvolles Habitat für zahlreiche Meeresvögel. Ebenso haben sie eine große Bedeutung für Zugvögel, die auf ihrem Weg nach Afrika hier rasten. Sara braucht nur ein paar Schritte neben ihrem Stand zu gehen, um eine erste endemische Pflanzenart zu finden – eine prächtig blühende Dünen-Trichternarzisse. »Ist sie nicht wunderschön?«, freut sie sich sichtlich über den Reichtum der Natur, den sie als Guida Ambientale Escuasionistica den Nationalparkbesuchern präsentiert.

 

Den ganzen Artikel lesen Sie in SKIPPER 06/2014
Text & Fotos: Ulrike Eriksen und Eduard Goßner

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