Auferstanden aus Ruinen
Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, als Philip Rudolf im Internet auf Fotos eines alten Holzbootes stieß. Der etwas mitgenommene Zustand interessierte ihn nicht, ihm hatten es die Formen angetan.
P hilp Rudolf ist am Ammersee aufgewachsen und zu Hause. Holzboote gehören hier quasi zum Landschaftsbild. Und er hat auch schon einige besessen, unter anderem ein Boesch-Boot und eine Plaue. Doch etwas Größeres sollte her, ein Boot, auf dem er mit seiner Familie und Freunden viel Zeit auf dem Wasser verbringen könnte. Das die »Neue« wieder aus Holz sein sollte, war von vorneherein klar. Also machte er sich auf die Suche, natürlich auch im Internet. Und genau da wurde er fündig. Eine Variant wurde dort angeboten, ein schönes Boot, wenn auch ein wenig vernachlässigt. Doch die Maße und vor allem die Formensprache hatten es Rudolf angetan. Nach der ersten Kontaktaufnahme folgte rasch der Besuch beim Eigner an der Müritz. Variant ist der Name der noch heute von Bootsbau Schubert aus Plate nahe des Schweriner Sees gefertigten Boote. Heute mit einem GFK-Rumpf und edlem Holzauf- und Innenausbau ausgestattet, wurden die Boote zunächst als reine Holzkonstruktionen auf Kiel gelegt. Das hat doch was, dachte Rudolf. Doch schnell wurde klar: Die zum Verkauf stehende Variant war gar keine. Es handelte sich um einen an das Original angelehnten Nachbau eines versierten Bootsbauers. Egal, Material, Maße, Form und Aura passen! Das Teil war gekauft!
Die erste Überraschung erlebte Philip Rudolf dann bei der Übernahme. Die letzten Jahre war das Boot in einem Schuppen in Barnim gelagert. Als es jetzt für den Transport an die frische Luft und auf den mitgebrachten Trailer gesetzt wurde, schockierte die Länge des Gespanns. Das Boot war 7,20 Meter lang und 2,45 Meter breit. Doch der Transport quer durchs Land an den Ammersee verlief ohne große Probleme.
Der Vorbesitzer hatte bereits mit der Renovierung begonnen. Das Interieur war zum Teil ausgebaut und der Rumpf angeschliffen. Alles hinterließ einen guten Eindruck, insbesondere das Unterwasserschiff. Also machte sich Philip Rudolf an die Arbeit. Als erstes kam der Innenausbau an die Reihe. In Zusammenarbeit mit dem Bootsbauer Beni Hölfe wurden in der Kajüte neue Rückenleisten und die Böden eingebaut. Die Unterkonsolen der Liegflächen und weitere Staukästen folgten als nächstes. Auch die Plicht wurde mit einem neuen Boden optisch aufgewertet. Für den wirklichen Spaß an Sommertagen auf dem See musste natürlich noch eine passende Badeplattform mit klappbarer Leiter her. Dann folgte die Lackierung der Außenhaut. Ursprünglich war die Variant-Variante mit einem Innenborder ausgestattet, doch wurde sie bereits vom Vorbesitzer auf den Betrieb mit einem Außenborder umgerüstet. Der Motor fehlte zwar, die Teleflexlenkung war intakt.
Auf den bayerischen Seen ist das Fahren mit Motorbooten und Verbrennungsmaschinen nur eingeschränkt möglich. Die Zahl der ausgestellten Lizenzen ist stark beschränkt und mit langen Wartezeiten verbunden. Darüber hinaus sind sie zeitlich begrenzt, am Ammersee muss nach Ablauf von fünf Jahren eine neue Genehmigung beantragt werden. Die Alternative zu diesem langwierigen Prozess ist der Einsatz eines Elektroantriebs. Damit können die bayerischen Gewässer fast ohne Einschränkung mit Booten bis zu neun Metern Länge befahren werden. Was lag also näher, als einen solchen Antrieb zu verbauen? Die Firma Torqeedo hat ihren Firmensitz in Gilching, also praktisch gleich um die Ecke. Philip Rudolf wurde kompetent beraten und entschied sich letzlich für eine Doppelmotorisierung mit zwei Torqeedo Travel 1003. Jeder der kleinen und leichten Motoren leistet 4 kW, was laut Firmenaussage für Boote bis 1.500 Kilogramm Gewicht ausreicht. Im Doppelpack ist die Variant damit bestens ausgestattet. Jetzt mussten noch die passenden Batterien nebst Ladegerät besorgt und natürlich fachmännisch installiert werden. Diese Komponenten sind natürlich auch bei Torqeedo erhältlich, doch der Preis schreckte den Eigner ab. In der Firma Turn-E GmbH aus Schondorf am Ammersee fand Rudolf einen kompetenten Partner. Die verbauten zwei Lithium-Ionen-Akkus und einen Landanschluss mit Ladegerät aus dem Automotive-Bereich im Boot. Denn die Spezialität des Unternehmens ist der Umbau von PKW von Verbrennungsmotoren auf E-Antriebe. Einmal dabei wurde auch gleich die gesamte Elektrik erneuert. Dann war es endlich so weit: Der »Stapellauf« stand an. Da über den Winter die Dichtigkeit des Rumpfes nicht umfassend überprüft werden konnte, lag schon eine gewisse Spannung auf den Beteiligten.
Den ganzen Report lesen Sie in SKIPPER 08/2014
Text: Klaus Schneiders, Fotos: Philip Rudolf