Im Namen des Flusses

Für die Inder ist der Brahmaputra ein Sohn der Götter. Gebettet in archaische Landschaften, flankiert von den Ausläufern des Himalaya, wälzt sich der gegenüber dem Bodensee stellenweise doppelt so breite Fluss durch die bekannte Teeregion Assam. Mythen, Mysterien und Magien begleiten seine Reise.

Sind Sie schon mal im Passagierjet über die Alpen geflogen? Und haben aus dem Fenster geschaut? Was haben Sie gesehen? Atemberaubende Berge? Wild gezackte Felswände? Wohl kaum … schließlich war der Jet ja auf gut 10.000 Meter Höhe unterwegs. Ganz anders ist es jetzt auf meinem Flug von Delhi nach Dibrugarh. Statt mikroskopisch kleiner Spielzeuglandschaften gleiten die eisgepanzerten Giganten des Himalaya vorbei. Ich bräuchte nur das Fenster öffnen und könnte den Schnee von den Gipfeln klauben. Dreißig Minuten hinter Guwahati zieht die Maschine in einer weiten Schleife nach rechts. Die Topographie schlägt sanftere Töne an, aus den 8.000ern werden horizontlose Teeplantagen, durch die sich ein riesiges Flussbett wie ein silberner Lindwurm wälzt.

Die Begrüßung im Airport von Dibrugarh könnte nicht stilvoller sein. Swadan, seines Zeichens Concierge auf der ABN Charaidew, verbeugt sich, lächelt und reicht mir eine Tasse Assam Tee. Sudir, sein Begleiter, nimmt mein Gepäck und verstaut es draußen im Kleinbus. »Leider«, bedauert er, »hat der Brahmaputra Niedrigwasser. Wir müssen unserem Schiff ein Stück entgegen fahren.« Das klingt nach einer kurzen Aktion, wäre es auch, dauert aber geschlagene vier Stunden. Der Grund sind die Inder oder besser gesagt: ihre kreative Interpretation des Begriffs »Verkehrsregel«. Allen Gebotsschildern, Ampeln und Polizeibeamten zum Trotz gilt hier wohl das Recht des Stärkeren. LKWs und Busse haben Vorfahrt, Kühe und Elefanten ebenfalls und überhaupt, wenn nicht klar ist, was von Gesetzes wegen klar sein sollte, ist die Hupe die normative Kraft des Faktischen.

Den ganzen Artikel lesen Sie im SKIPPER 11-12/2015.
Text & Fotos: Gerald Penzl