Michel Tual ist ein Mann wie ein Fluss. Genauer gesagt wie der Fluss, an dem er tagtäglich seine Schleuse bedient: „Vier Jahre arbeite ich schon als Éclusier. Ein Jahr habe ich noch, dann gehe ich in Rente.“ An dem Flüsschen Oust und in den verschlafenen, kleinen Dörfern drumherum ist das Leben so beschaulich, als stehe der ganze Landstrich im Département Morbihan kurz vor dem Ruhestand. Zeit spielt hier nicht die große Rolle. Gerade das richtige Terrain für einen Hausboottrip. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 8 km/h bremst selbst eilige Freizeitkapitäne und lädt ein zum gemächlichen Dahingleiten. Während Michel das Schleusentor hinter dem Heck schließt und einströmendes Wasser das Boot in die Höhe stemmt, plauscht er ein wenig. Seine Écluse ist die Nummer 19 von insgesamt 237 Schleusen des Canals de Nantes à Brest. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die 360 km lange Strecke durchgängig schiffbar und verknüpft mehrere Flüsse – darunter auch die Oust – und ein paar wenige echte Kanalstrecken zu einem interessanten Binnenrevier durch eine historisch spannende Gegend. Der Wasserstand hat das richtige Niveau erreicht, das genietete Stahltor klappt auf, Start frei zur nächsten Etappe. Während der Bug sachte aus der schmalen Pforte gleitet, geht Michel schon wieder zurück an die Gartenarbeit. Das Grün vor seinem kleinen Schleusenwärterhäuschen ist gepflegt wie eine Parkanlage. Als Éclusier hat man viel Zeit. Liegestuhl oder Gartenharke stehen zur Auswahl – bis das nächste Boot kommt.
Den ganzen Törnbericht lesen Sie in Skipper 09/2005