In vinho veritas
Schon die Römer bauten an den sonnenverwöhnten Steilhängen des Rio Douro Wein an. Auf Bacchus folgten Kreuzritter, Kirchenmänner und britische Kaufleute.Sie alle stellten die Weichen für das berühmteste Produkt der Region, den Portwein. Heute kann man den märchenhaft schönen Bilderbuchfluss im Norden Portugals sogar mit dem Charterboot entdecken.
Es gibt Dinge, die muss man einfach tun. Egal, wie aufwändig sie sind, welche Haken sie haben und was die Freunde dazu sagen. Ich zum Beispiel habe vor gut zehn Jahren auf einer Reise durch Portugal den Douro kennen und schätzen gelernt. Ein Traum, dachte ich mir, und hätte den Fluss am liebsten gleich unter den Kiel genommen Doch statt Charterboote gab es nur schwimmende Hotelkästen. Und auf eine Woche Flusskreuzfahrt inklusive Captain-Dinner und High-Tea … sorry, darauf hatte ich keine Lust. Kürzlich jedoch hörte ich etwas von einer Charterfirma namens FeelDouro. Ein Blick auf die Homepage des Unternehmens, und die Glückshormo-ne jubilierten. Zack, buchte ich ein Boot und saß im Flieger nach Porto.
Wie die Faust Gottes stemmt sich die Kathedrale der stolzen Handelsmetropole hoch über der Atlantikmündung des Douro gegen die Stürme der Zeit. Der Klang ihrer Glocken schwebt über den dicht geschichteten Häusern der Altstadt, klettert die engen Treppengassen herunter zum hübsch renovierten Hafen- und Kneipenviertel Ribeira und treibt uns in der muschelwurfnahen Marina Douro zur Eile. »Wir müssen los«, drängt Ricardo, »sonst läuft der Törnplan aus dem Ruder.« Der FeelDouro-Mitarbeiter hat den Satz nicht zu Ende gesprochen, da dampft unsere Greenline 40 schon aus der Box. Backbords sonnt sich Portos steinerne Vergangenheit im Glanz der UNESCO Weltkulturgutliste. Steuerbords grüßen die jahrhundertealten, schneeweiß getünchten Kellereien der Portwein-Barone. Ein paar Schraubendrehungen weiter spannt sich die Ponte Dom Luís I. über den Rio. Die kühn geschwungene, 1886 mit Pauken und Trompeten eröffnete Eisenbrücke stammt aus den Konstruktionsbüros des Pariser Wahrzeichen-Erbauers Gustave Eiffel. Hinter dem doppelstöckigen Schwergewicht gebe ich Gas. Die Kolbenquartette der beiden Innenborder stemmen sich auf die Wellen, die Greenline nimmt Fahrt auf und schiebt uns mit 15 km/h an Streusiedlungen, Wiesen und Wäldern entlang auf das erste Schleusenabenteuer zu. »Gutes Timing«, anerkennt Ricardo, greift zum Handy und ruft den Tower der Crestuma Schleuse an. Irgendwo in dem grauen, 470 Meter breiten Betonklotz nimmt ein freundlicher Zeitgenosse das Gespräch entgegen, ein paar Minuten später schaltet die Ampel über dem Sperrtor von Rot auf Grün, das Portal öffnet sich und wir laufen im Schneckentempo in den knapp 14 Meter hohen Schiffslift ein. »Keine Sorge«, beruhigt mich Ricardo und deutet auf die Schwimmpoller in den Kammerwänden. »Mit diesen Dingern ist die Schleusung ein Kinderspiel.« Ich mag‘s nicht glauben. Aber tatsächlich: Eine Leine um das Aufstiegshelferlein am Heck, dann eine um seinen Kollegen am Bug und unser Cruiser fühlt sich auf seiner Reise ins Oberwasser so sicher wie in Abrahams Schoss. Hinter der Schleuse dann verabschiedet sich Ricardo und macht sich auf den Weg zurück nach Porto. »Bem-venido!« Miguel, seines Zeichens Chef über die Gastliegeplät-ze der Cais de Entre-os-Rios winkt uns an den Steg. Ob wir über Nacht bleiben wollen, erkundigt er sich; wir bejahen und schon hat er die Vor- und Achterleine unserer Slowenin um die Poller gelegt. Wir spendieren der GFK-Dame noch zwei Springs – man weiß ja nie, welche Flussgeister hier an der Mündung des Rio Tâmego in den Douro ihr (Strömungs-)Unheil treiben – und überlegen, ob und was wir kochen wollen. »Ich würde«, empfiehlt uns Miguel, »im Convento de Alpendurada essen.« Sein Tipp hat einen Grund: In zwei Stunden dampft ein Hotelschiff ein; wenn sich die Damen und Herren Passagiere dann nach dem Bord-Dinner die Beine vertreten, wird‘s hier turbulent. »Also, genehmigt euch am Kiosk einen Bagaça, Tresterschnaps und dann ab ins Convento! Mönche leben dort schon längst nicht mehr, aber dafür ist das Restaurant prima! Soll ich euch ein Taxi rufen?« Ohne zu überlegen, nicken wir. Das Essen war gut, der Blick auf den Douro von der Terrasse des Klosters eine Wucht und die Nacht selbst ruhig und sternenklar. Gegen 8 Uhr legt der Flusskreuzfahrer via Porto ab, wir frühstücken gemütlich in der Plicht und schippern dann entgegengesetzt in Richtung Barragem do Carrapatelo. Der sperrige Zungenbrecher steht für den Superstar der Douro-Schleusen mit – und jetzt wird‘s haarig – einer Fallhöhe von sage und schreibe 35 (!) Metern. Wir laufen im Heckwasser eines auf alt getrimmten Rabelo-Sightseeingbootes ein, winken den Ausflüglern an Deck zu und liften dann dank der Schwimmpoller problemlos nach oben. Drei Stunden hinter dem klaustrophobisch anmutenden Schleusen-Everest liegt Peso da Régua. Das erste Signet dieses geschäftigen 10.000-Seelen-Städtchens ist das berühmte Logo der Firma Sandeman. Überlebensgroß thront der schwarze Kerl auf der Kuppe eines Weinbergs und süffelt genüsslich ein Gläschen Vinho. Den Grundstein des Getränks hatten vor 2.000 Jahren die Römer gelegt. Nach der Eroberung Portugals durch die Araber köchelte das Rebenblut als vermeintliches Machwerk des Satans auf Sparflamme, nach der Rückeroberung durch die Kreuzritter dann lief es zur Höchstform auf. Zu seinen treuesten Konsumenten gehörte das Kloster von Lamego. Der Abt selbst war ein weit gereister Mann, der auch in der Fremde nicht auf (s)einen Schlummertrunk verzichten wollte. Um ihn haltbar zu machen, verschnitt er ihn mit Branntwein. Mitte des 18. Jahrhunderts verirrten sich ein paar britische Kaufleute ins Douro-Tal. Ihre Regierung lag mit Paris im steuerpolitischen Clinch, hatte den Import französischer Weine verboten und so suchten die Herren nach neuen Trinkbarkeiten. Interessiert probierten sie den unbekannten, süßlich-schweren »Priest Wine« … und fanden ihn prima. Geschäftstüchtig wie sie waren, experimentierten sie mit dem Zeitpunkt der Aufspritung und damit der Restsüße und legten so das Fundament für den Siegeszug des Vinho do Porto, des Portweins.
Den ganzen Test lesen Sie in SKIPPER 09/2014
Text & Fotos: Gerald Penzl