Meine beiden finnischen Begleiter Eva und Helge holen mich in Savonlinna mit dem Auto ab. Dort haben wir uns in einem der großen Supermärkte gleich mit der Verpflegung für die nächste Woche eingedeckt. Als wir beim Charterunternehmen Saimaan Solmu (www.yachtcharter.fi) ankommen, begrüßt mich der Firmenchef Jouko Soini in perfektem Deutsch. Ich wundere mich etwas, dass fast alle Charteryachten an den Stegen liegen. Es ist Anfang August, die Sonne lacht vom stahlblauen Himmel und das soll nach Angaben der Wetterfrösche auch so bleiben. Warum jetzt nicht ganz Finnland auf dem Wasser ist, erklären mir meine beiden einheimischen Begleiter. „Die Sommerferien gingen vor einer Woche zu Ende. Die Kinder müssen also wieder in die Schule und die Eltern zur Arbeit“. Im August herrschen deshalb perfekte Bedingungen für einen Bootsurlaub in den herrlichen Wasserlandschaften Finnlands, denn die kurze Saison ist trotz guter Wetterlage für die meisten Einheimischen vorbei. Nur an den Wochenenden ist auf den Gewässern noch etwas mehr los. Aber das Saimaa-Seensystem strotzt nur so vor Wasserflächen, Ufern und Inseln, dass es auch dann nie wirklich voll wird. Wer die Einsamkeit sucht, wird immer fündig. Wir freuen uns jedenfalls auf Natur pur und viele neue Eindrücke. Für den nächsten Tag haben wir uns viel vorgenommen. Wir suchen die Lagerfeuer-Romantik in der freien Natur. Ziel ist das kleine Inselchen Linnasaari im östlich gelegenen See Puruvesi. Nur 30 Kilometer weiter befindet sich die russische Grenze. Eine erhebliche Strecke also, für die wir den ganzen Tag brauchen werden. Nach dem Ablegen begegnen wir einigen Dampfschiffen, die mit Touristen im Linienverkehr unterwegs sind. In den Klassikern werkeln noch richtige Dampfmaschinen. Doch dann kommt ein Schleppverband auf uns zu. Ich traue meinen Augen kaum, denn am Zugseil hängt ein komplettes Haus. Das ist wohl die finnische Art, umzuziehen. Die nächste größere Stadt ist Punkaharju. Vorher müssen wir aber noch eine niedrige Brücke passieren, die man selbst öffnen kann. Die Angler am Ufer nehmen uns die Arbeit ab. Danach werden die Gewässer wieder weitläufiger, doch alles ist gut ausgetonnt. Dennoch muss man bei der Vielzahl der Inseln aufpassen, dass man den Überblick behält. Am frühen Nachmittag passieren wir die markante Brücke von Punkaharju und fahren weiter in Richtung Osten. Im Zielgewässer angekommen, erreichen wir nach einer weiteren Stunde Fahrt die kleine Insel Linnasaari. Die Einfahrt in die geschützte Bucht führt von der Nordseite her durch einen Kanal. Doch dabei erwartet uns eine kleine Enttäuschung. Wir sind nicht allein. Es ist Freitagabend und das herrliche Wetter am beginnenden Wochenende nutzen auch andere Bootssportler. Wir haben aber Glück, denn ein Liegeplatz mit eigener Feuerstelle ist frei. Eine Feuerstelle ist wichtig, denn man darf in Finnland zwar überall anlegen, aber Feuer dürfen nur an den ausgewiesenen Stellen angezündet werden. Da das Ufer steil abfällt und aus reinem Sand besteht, fahre ich einfach mit dem Bug an Land. Dann befestigen wir unseren schwimmenden Untersatz mit der längsten Leine an einem der Bäume. Schnell ist genügend trockenes Holz für unser Lagerfeuer gesammelt und die Flamme entfacht. Heute ist Grillen in der freien Natur angesagt. Es wird ein herrliches Erlebnis mit langen Gesprächen am Lagerfeuer und einigen Dosen Bier.
Lothringen
Ein regelrechtes Netz schiffbarer Gewässer in Lothringen (französisch Lorraine) und im Elsass (französisch Alsace) verbindet Ostfrankreich mit Deutschland und der Schweiz, Belgien und Luxemburg. Durch die strategisch günstige Lage gilt dieses Revier als eine der letzten Bastionen der traditionellen europäischen Flussschifffahrt. Für den naturliebenden Freizeitskipper heißt es mitunter, Augen zu und durch, da die an sich recht beschaulichen Wasserwege vielerorts von teils gigantischen Industrieanlagen flankiert werden. Für kulturell Interessierte gibt es einige echte Sehenswürdigkeiten zu entdecken - dazu muss man aber oftmals hinter die Kulissen schauen. Das Städtchen Sierck-les-Bains liegt nur einen größeren Katzensprung vom Saarland sowie der offenen deutschen und luxemburgischen Grenze entfernt. Hier richtete Charterspezialist Kuhnle-Tours im vergangenen Frühling eine neue Basis ein, die der Ausgangspunkt unseres One-Way-Törns nach Niderviller sein soll. Es ist Anfang Oktober, und von Hamburg kommend haben wir auf regennassen Straßen gerade 720 Autobahn-Kilometer hinter uns gebracht. Gut, dass die fünfköpfige Crew weiß, was sie erwartet - ein angenehm geräumiges, zweckmäßig eingerichtetes und praxisgerecht ausgerüstetes Leihschiff nämlich, auf dem man sich auch bei widriger Witterung sofort wohl und heimisch fühlt. Oder doch nicht? Die „Habicht“, so heißt das schwimmende Domizil für die folgenden sieben Tage, hat offenbar schon bessere Zeiten erlebt. Der blau lackierte Rumpf des stählernen Verdrängers ist heftig verschrammt und schreit geradezu nach einer Schönheitskur. Hinzu kommt, dass der junge Mann im Kuhnle-Blaumann, der sich um die Einweisung kümmern soll, die vorbestellten Fahrräder vergessen hat und beim besten Willen keine Auskunft geben kann, wo man sich vor Ort mit Proviant versorgt. Nach der erforderlichen Erkundungsfahrt mit anschließendem Einkauf in Sierck-les-Bains sind das Abendessen an Bord und die diebstahlsichere Unterbringung unseres Autos gewährleistet. Dieses wird nach dem Entladen des Gepäcks auf dem Gelände eines benachbarten Campingplatzes geparkt. Den Abend verbringen wir in der sehr einfachen und alles andere als einladenden Hafenanlage, die jedoch einen schönen Blick auf die rot-gelb beflaggte, von Scheinwerfern angestrahlte und daher weithin sichtbare mittelalterliche Burg über dem Moselufer bietet.
Süd-Griechenland
Rund um den westlichsten Finger der Insel des Pelops gibt es auf engstem Raum mehrere geschichtsträchtige Orte, um erlebnisreiche Ferientage zu verbringen – beispielsweise an der einzigartigen Bucht von Pilos. Sie ist durch die bananenförmige Insel Sfaktiria fast vollständig gegen das offene Ionische Meer abgeschirmt und bietet bei jeder Wetterlage sichere Anker- und Anlegeplätze. Berühmt ist die Gegend durch die Seeschlacht von Navarino im Oktober 1827. Sie spielte eine entscheidende Rolle im griechischen Unabhängigkeitskrieg und führte letztendlich zur Befreiung von der Türkenherrschaft. Die türkisch-ägyptische Flotte, die dort mit rund 90 Schiffen vor Anker lag, wurde bei einem Seegefecht auf engstem Raum von den verbündeten Streitmächten Russlands, Frankreichs und Englands vernichtend geschlagen. Noch heute stecken die Wracks im zähen Meeresgrund und sind - allerdings nur bei sehr glattem Wasser - zu sehen. Gedenkstätten für die Opfer der Alliierten können auf den Inseln besichtigt werden. Dabei lohnt vor allem ein Abstecher nach Pilos-Island am Südausgang der Bucht. Das gigantische Tor im Felsriegel ist mehr noch als das Denkmal der Franzosen ein lohnendes Fotomotiv. Eine kleine Pier bietet die Möglichkeit, trockenen Fußes an Land zu kommen. Sie ist während der Hauptsaison oft durch Ausflugsboote belegt. Nebenan auf Sfaktiria wird der gefallenen Russen und der Griechen - Letztere waren an der Seeschlacht nicht beteiligt - gedacht. Das Ehrenmal der Engländer befindet sich auf Chelonaki, einer kleinen Insel mit Leuchtfeuer im Inneren der Navarino-Bucht.
Grand Union Canal
William macht es einem nicht leicht. In keiner Beziehung. Eine Annäherung an den großen Barden ist mühsam. Seine Werke zu verstehen, erfordert die Auseinandersetzung mit dem kryptischen Englisch des 16. Jahrhunderts. Und auch das Leben des Dramatikers scheint ein Buch mit sieben Siegeln. Fragen über Fragen, Rätsel über Rätsel. Das gesicherte Wissen ist äußerst dürftig. Selbst der Weg in das Shakespeare-Mekka Stratford upon Avon ist beschwerlich. Zumindest bei einer Anreise mit dem Narrowboat, denn Grand Union Canal und Stratford upon Avon Canal warten mit einer Menge Schleusen auf. Rund 50 „locks“ sind es auf der Strecke von Warwick nach Stratford. Das heißt 400mal Schleusentore öffnen bzw. schließen. Bei einem Gewicht von rund 2,5 Tonnen pro Tor hat man nach einer Hin- und Rückfahrt gut 1000 Tonnen von Hand bewegt. Dazu kommt noch das Gekurbel an den Schiebern. Eine Reise zum Geburts- und Ruheort von William Shakespeare hat auf diese Weise ein bisschen den Charakter eines Fitnessprogramms. Entsprechend kräftig gebaut waren wohl seinerzeit auch die „Idle Women“. Diese Frauen übernahmen während des Zweiten Weltkrieges in Ermangelung von Männern den Schiffsverkehr auf dem englischen Kanalnetz zwischen Liverpool, Manchester, Nottingham, Birmingham und London. Im langen Niedergang des Binnenschifftransports war diese Zeit ein letztes Zwischenhoch, bevor Zug und Lkw endgültig den Güterverkehr dominierten und die Kanäle verfielen und aufgegeben wurden – die Kanäle, die am Anfang des 19. Jahrhunderts den industriellen Boom in den Midlands befeuerten.
Costa Rica
"Das ist nicht euer Ernst? Ihr wollt im offenen Boot nach Tortuguero? 150 Kilometer durch Dschungel und Niemandsland? Und das jetzt in der Regenzeit. Loco! Total Verrückt!“ Dirk zieht die Augenbraunen hoch, holt tief Luft ... und kommt zur Sache. „Na gut“, sagt der Leiter der Laguna del Lagarto Lodge, „mal schauen, was ich machen kann. Geht erst mal frühstücken.“ Gesagt, getan. Wir bestellen uns Spiegeleier mit Speck, schwarze Bohnen, frittierte Bananen und frische Papaya. Draußen vor der überdachten Terrasse des Comedors marschiert eine Großfamilie Tukane auf. Lange brauchen die schwarz gefiederten Vögel mit ihren regenbogenfarbigen Riesenschnäbeln nicht warten. Wushhh, geht die Küchentür auf und Paola, die Köchin, wirft den Exotenvögeln die Fruchtabfälle unseres Frühstücks in hohem Bogen vor die Krallen. „Ihr habt Glück“, strahlt Dirk nach ein paar Telefonaten. „Von Boca San Carlos aus geht ein Boot über Trinidad nach Barra del Colorado. Dort könnt ihr übernachten und am nächsten Tag mit einem Wassertaxi weiter nach Tortuguero fahren. Aber zuerst zeige ich euch unseren Regenwald.“ Wir ziehen lange Hosen und Hemden als Schutz gegen die Moskitos an, nebeln uns mit Anti-Mückenspray ein und stiefeln los. Nur wenige Meter hinter den Gästehäusern der Lodge schießen die Urwaldriesen in den Himmel. Der Boden ist glitschiger Morast; überall wuchern Farne, verrotten Baumstämme und schlingen sich Kletter- und Aufsitzerpflanzen um die Bäume. Ameisen wuseln umher, ab und an lugt ein winzig kleiner, knallgrüner, roter oder blauer Pfeilgiftfrosch aus der Biomasse. „In Costa Rica“, erklärt Dirk“, gibt es rund 12 000 verschiedene Pflanzen. Das sind etwa 4 Prozent aller weltweit vorkommenden Arten.“ Nach gut einer Stunde drängt er zur Rückkehr. Wieder in der Logde, packen wir unsere Rucksäcke, verstauen sie in seinem Jeep und schon heißt es: Hallo Abenteuer, wir kommen! Bereits die ersten Meter Richtung Boca San Carlos sind eine Strapaze für Mensch und Maschine. Die Piste ist regennasse Schmierseife, der Allradantrieb wühlt sich wie Ferkel durch den Schlamm. Wald wechselt mit Weide, Kühe schauen uns träge nach, dann rückt der RÃo San Carlos ins Bild. Kurz vor Boca de San Carlos lugt ein Flugzeugwrack aus den Fluten. „Über den Absturz “, schmunzelt Dirk, „ranken sich die skurrilsten Geschichten. Mal wird behauptet, das Flugzeug sei ein abgeschossener Waffentransporter, mal, es wäre ein Drogenkurier, wieder andere geben einem profan Blitzschlag die Schuld.“ Boca San Carlos ist ein kleines 100-Seelennest an der Mündung des RÃo San Carlos in den nicaraguanischen Grenzfluss RÃo San Juan. Dirk stoppt den Jeep in der Nähe des Anlegers. Dort wartet bereits unser Boot. Es ist eine rund sieben Meter lange GFK-Selbstbau-Konstruktion mit groben Holzbrettern als Sitzgelegenheit und rostigen Blechdosen als Lenzpumpen(ersatz). Dazwischen türmen sich Säcke voll Reis, Bohnen und Tropenfrüchte. Am Heck werkelt ein musealer Außenborder, vorne thront ein 150 Liter-Plastikfass, bis zum Rand mit Treibstoff gefüllt und darauf sitzt – ich traue meinen Augen nicht – ein sonnengebräuntes Kerlchen namens Roberto, grinst und ... raucht!!
Friesland
Wer behauptet, das Land der Tulpen und Grachten sei platt wie ein Pfannkuchen, der hat prinzipiell Recht. Doch eine wunderbare Füllung macht ihn zu einem Omelette Surprise, verfeinert mit verschiedenen dekorativen Zutaten, appetitlich und blitzsauber angerichtet. Tatsächlich präsentiert sich dem Bootsurlauber ein einzigartiges, durch Kanäle verbundenes Seengebiet mit reicher Flora und Fauna. Nette kleine Städtchen, viele mit einer tollen Infrastruktur und historischen Sehenswürdigkeiten, laden zum Verweilen ein. Dass es in diesem Traumrevier im Norden der Niederlande Freizeitboote wie Sand am Meer gibt, liegt auf der Hand. Unser schwimmendes Domizil heißt so wie eine niederländische Prinzessin, was zweifellos passt, denn die „Maxima“ bietet für ein Leihschiff fast schon königlichen Komfort. In Dienst gestellt wurde der 13,50 m lange und 4,10 m breite Verdränger in der vorigen Saison, und einen entsprechend jungfräulichen Eindruck vermittelt die stählerne Lady bei unserer Ankunft im malerischen Dorf Terherne. Dort, eine gute Autostunde von Groningen entfernt, befindet sich der Firmensitz von De Schiffart Yachtcharter. Arend und Gisela De Schiffart, die seit dem Millennium-Jahr in der Charterbranche tätig sind, haben mittlerweile 20 Boote und Yachten im Fuhrpark. Nebenbei betreiben die sympathischen Eheleute eine bestens frequentierte Full-Service-Marina. Nach der freundlichen Begrüßung und einem informativen Plausch über die angedachte Reiseroute machen wir uns mit der Maxima vertraut, die von einem 96 kW (130 PS) leistenden John-Deere-Diesel angetrieben wird. Die 16 Tonnen schwere Wellness-Yacht verfügt über eine speziell für größere Crews äußerst ergonomische Aufteilung und ein ebenso geschmackvolles wie praxisgerechtes Interieur. Der beheizbare Kommandostand auf dem weitläufigen Achterdeck wird von bequemen Sitzbänken flankiert. Es gibt einen luftigen Salon mit lederner Sitzgarnitur, großzügig bemessene Kabinen im Bug und Heck, ein schmales Zwei-Personen-Separee an Steuerbord und getrennte Sanitärbereiche, wobei die achterliche Nasszelle mit einer Hydrojet-Dusche verwöhnt. Doch damit nicht genug. Obendrein sind eine Waschmaschine, zwei Flatscreen-TVs, ein Massagebett, ein Solarium und - man höre und staune - sogar eine Sauna installiert. Wir lassen diesen Equipment-Clou einen Equipment-Clou sein und nutzen die Räumlichkeit als Lagerstätte für festen und flüssigen Proviant. Der formellen Übergabe folgt eine eher unangenehme Prozedur, denn das wie immer viel zu umfangreiche Gepäck muss an Bord gebracht und möglichst platzsparend verstaut werden. Am frühen Abend sind wir startklar, doch im De-Schiffart-Hafen geht es dermaßen entspannt zu, dass man hier eigentlich bleiben möchte. Dennoch wird abgelegt, denn die fünfköpfige Besatzung ist neugierig, die Reize der lieblichen Landschaft von der Wasserseite aus zu entdecken. Wir nehmen Kurs auf das nahegelegene Akkrum an einer Biegung des Flusses de Boarn, doch die roten Lichter an der Schleuse signalisieren unmissverständlich, dass die Anfangsetappe hier und jetzt enden muss. Um Punkt 19 Uhr hatte der Brückenmann Dienstschluss, wir sind den berühmten Tick zu spät und sehen uns daher gezwungen, am Steg eines Campingplatzes zu nächtigen.
Genfer See
Alec Tournier sieht die Sache sportlich. „Bei konstantem Wind hätten wir gewinnen können“, sagt der Generalsekretär der Sociéte Nautique. „Aber diese Wahnsinnsböen waren Gift für die Alinghi. Da hatten die US-Boys einfach das bessere Boot. Doch was soll's. Nach der Regatta ist vor der Regatta. Und wer weiß, wer den nächsten America's Cup gewinnt“, fügt er hinzu. Damit hat der Schweizer hier auf der Terrasse des renommierten Genfer Yachtclubs den Nagel auf den Kopf getroffen. Ja, die Alinghi, dieses helvetische Kraftwerk aus den Strömungslaboren der Technischen Hochschule Lausanne, hatte im winterlich aufgewühlten Mittelmeer gegen den Trimaran der Amerikaner 2010 keine Chance. Und so blieb Monsieur Tournier nichts, als die begehrteste aller Segeltrophäen aus der Vitrine des Clubhauses zu holen und sie den Siegern in die Hand zu drücken. Genf ist eine ganz besondere Stadt. Nur wenige Kilometer von der Marina des Yachtclubs entfernt, kuschelt sich die viel zitierte Metropole der Banker und Diplomaten an die Ausläufer der Sayoyer Alpen. Mit rund 200 internationalen Organisationen und über 40 Prozent Ausländern, stellt sich die Frage, ob die Stadt am Südwestufer des Genfer Sees tatsächlich eine waschechte Schweizerin ist. Viel Zeit, eine Antwort zu finden, hatte ich nicht. Gegen Mittag schon sollte ich bei Monsieur Tournier im Yachtclub sein. Also im Schnelldurchgang durch die beschauliche Stille der Altstadt, an verhuschten Antiquitätengeschäftchen vorbei zur Cathédrale de St-Pierre und von diesem massigen Glaubensbekenntnis durch kleine Kopfsteingassen und noble Shopping-Meilen herunter zum Quai du Mont-Blanc. In den stilvollen Grandhotels direkt am Ufer gab und gibt sich das Who is Who des Geld- und Hochadels sein Stelldichein. Ob ich mir das Palais der Nationen angesehen hätte, fragt mich Monsieur Tournier nach seinem Exkurs über die Alinghi. Klar war ich in diesem klassizistischen, 400 Meter langen Monumentalbau mit seinen gut 1200 Büros. „Bien! Dann kann es ja los gehen“, sagt er und deutet auf eine - fast - nagelneue Nimbus Nova 42. „ Grüezi“, begrüßt mich Denis von der Plicht aus, stellt sich als Inhaber der kleinen Schiffswerkstatt Onyx Nautic in der Nähe von Montreux vor und zeigt mir die Gästekabine. Nachdem ich mich in der kommoden Unterflurlogis eingerichtet habe, weckt er die Twins zum Leben und steuert mit 1000 Touren auf das Wahrzeichen von Genf zu, die berühmte Fontäne Jet d'Eau.
Lübecker und Mecklenburger Bucht
Es ist Mitte Mai, aber kalt und grau wie im November, als die dreiköpfige Männer-Crew ihr schwimmendes Domizil für die nächsten sieben Tage in Augenschein nimmt. Von der Sento, unserem appetitlich gesäuberten Mietobjekt, das noch vor wenigen Stunden von der Vorgängerbesatzung bewohnt wurde, sind wir sofort angetan. Das 9,35 m lange und 3,35 m breite Tourenboot, angetrieben von einem sparsamen Volvo-Diesel mit 55 Pferdestärken, gilt zurecht als eines der beliebtesten Linssen-Modelle. Die in der Saison 2007 in Dienst gestellte Holland-Yacht bietet Platz für vier bis fünf Personen und verfügt über eine komfortable Ausstattung. Es gibt einen gemütlich möblierten Salon mit lederner Sitzgruppe, zwei großzügige Schlafkabinen und getrennte Sanitärbereiche. Nachdem Gepäck und Proviant verstaut sind, erfolgt die obligatorische Einweisung. Martin Stratmann (55), der im Hauptberuf Lichtplaner ist, schlägt vor, uns während der rund zweistündigen Fahrt über die Trave nach Lübeck-Travemünde Gesellschaft zu leisten. Dort soll Brennstoff und Frischwasser gebunkert werden, bevor wir endgültig das Ruder übernehmen. Am Abend liegt die Sento direkt an der Flaniermeile im Travemünder Fischereihafen. Die Frage, ob sich ein kleiner Spaziergang lohnt, ist angesichts der miserablen Witterung schnell beantwortet - nein! Trotzdem gehen wir von Bord und flüchten uns, natürlich ohne Regenschirm und daher patschnass, ins nächste Restaurant, um mit einem leckeren Essen gegen die gedrückte Stimmung anzukämpfen. Nebenbei wird die Törnroute diskutiert. Leider kommen wir zu keinem Ergebnis, da die Wetterprognose nichts Gutes verheißt. Tatsächlich weht morgens eine steife Brise, so dass nur einige Segler ihre Schiffe zum Auslaufen klar machen.
England – Norfolk Broads
er Abend hat bereits begonnen, als wir in der Basis des Hausboot-Spezialisten Le Boat, im kleinen Örtchen Horning ankommen. Im Oktober ist hier nicht mehr viel los, deshalb ist das Büro schon geschlossen. Ein Zettel an der Tür weist freundlich darauf hin, wo wir unser Boot und den Schlüssel finden. Alles ist perfekt organisiert und das Schiff entsprechend vorbereitet. Unsere Anreise war allerdings kein Zuckerschlecken: Wir nahmen das Flugzeug nach London-Heathrow. Dann folgten eine etwas umständliche Fahrt mit der U-Bahn durch die Metropole, eine fast dreistündige Bahnfahrt mit Umsteigen in Norwich und der Weg von Wroxham mit dem Taxi zur Basis in Horning. Einfacher geht es, wenn man einen Flug nach Norwich bucht. Entsprechend hungrig nach der langen Anreise machen wir uns nach dem Bezug unseres schwimmenden Domizils zu Fuß auf den Weg in die Ortschaft. In einem kleinen Tante-Emma Laden finden wir alles, was wir unterwegs an Proviant benötigen. Für unser Abendessen stehen im beschaulichen Horning einige Pubs zur Auswahl. Wir entscheiden uns für The New Inn, angeblich das älteste Haus in der Gemeinde. Die urige Kneipe liegt - wie viele andere Gaststätten in der Gegend - direkt am Wasser und besitzt einen eigenen Anleger. Deshalb ist der Pub auch ein beliebter Anlaufpunkt für Wassersportler. Die Struktur der Gaststätten in der Region ist typisch englisch und überall gleich. Aus den Bierzapfanlagen läuft ortsübliches Lager, oft auch Guinness, und das Essen ist einfach aber schmackhaft. Mit rund acht Pfund (9,50 €) für eine Hauptspeise ist die Mahlzeit in der Gaststätte unserer Wahl auch sehr erschwinglich. Als wir den Rückweg zu unserem Schiff antreten bemerken wir, was bei einer Bootstour in den Broads in die Jackentasche gehört: Eine Taschenlampe!
Hiddensee
Uns verschlug es, um ehrlich zu sein, eher zufällig hierher. Hätte es nämlich während der angedachten Rügen-Umrundung mit einer Charteryacht weniger Starkwind und mehr Flaute gegeben, wäre der Törn nicht durch den bedrohlich flachen, aber bestens betonnten Schaproder Bodden verlaufen. Die 520-Seelen-Gemeinde Schaprode, erstmals im Jahre 1193 urkundlich erwähnt, gehört zu den ältesten Siedlungsstätten auf dem benachbarten Rügen. Von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist Schaprodes Hafen, der für Hiddensee-Urlauber, Tagestouristen und Einheimische die einzige Möglichkeit darstellt, ganzjährig per Passagierschiff oder wendigem Wassertaxi auf die von 1200 Menschen bewohnte Insel zu gelangen. Zudem pendelt zwischen Hiddensees Hauptort Vitte und Schaprode eine Lastenfähre. Diese war - Funk und Fernsehen berichteten darüber - im vergangenen Eiswinter wegen eines Maschinenschadens kurzfristig außer Gefecht gesetzt, was zu Versorgungsengpässen auf dem eingeschneiten Ostsee-Eiland geführt hatte. Während des Aufenthalts auf der für private Pkw gesperrten Insel können auswärtige Gäste ihre Autos in Schaprode auf öffentlichen oder privaten Parkplätzen abstellen. In der Saison nehmen die Fährschiffe der „Weißen Flotte“ bis zu sieben Mal täglich Kurs auf Hiddensee, um nach 30- bis 45-minütiger Passage in Neuendorf, Vitte oder Kloster festzumachen. Reguläre Fährverbindungen bestehen auch mit der Hansestadt Stralsund (die Überfahrt dauert etwa drei Stunden) und Zingst sowie Wiek und Breege auf Rügen.