Ende April konnten wir unsere neue ETAP 1100 übernehmen. Mitte Mai wollten wir bereits auf „Große Fahrt“ gehen. Also hieß es, rasch 50 Stunden zu fahren, um die erste Inspektion machen zu können. Bisher waren wir begeisterte Segler, sowohl mit eigenem Boot als auch in den letzten Jahren als Charterer - in der beruflich aktiven Zeit bot dies mehr Flexibilität. Auf dem Canal du Midi und dem Shannon hatten wir inzwischen auch den Reiz des Motorbootwanderns kennen und schätzen gelernt. „Mit den Jahren“ reifte der Entschluss, auf ein Motorboot umzusteigen, wobei sich unsere Anforderungen an das zukünftige Schiff gleichzeitig klar entwickelten. Das Boot sollte für binnen und buten geeignet sein, also für Flüsse und kleine französische Kanäle ebenso wie für Küstengewässer. Dabei stand die Sicherheit an erster Stelle. Es sollte zudem ausreichend Platz und Komfort bieten und einige Tage von einer Landversorgung unabhängig machen. Auch Umweltfreundlichkeit und Ökonomie waren wichtige Aspekte. Mit der ETAP 1100 schien uns gerade rechtzeitig das gewünschte Boot auf den Markt gekommen zu sein. Wir wählten die 315-PS-Maschine und ließen vom Händler einen 5-kW-Dieselgenerator einbauen, zusätzlich ein Heckstrahlruder, ebenso eine Klimaanlage und ein Kühlaggregat für die Kühlbox. Für die Navigation erhielt unser neues Schiff Funk, Kartenplotter, Autopilot und Radar. Und noch das eine oder andere zur Inneneinrichtung, das das Leben an Bord angenehm machen sollte. Das Beiboot kann mittels extra montierter Snap-Davits hoch gezurrt werden, was ein schnelles und leichtes zu Wasser lassen und hoch holen ermöglicht. Mitte Mai ging es dann los, Kurs Mittelmeer, zunächst die Mosel aufwärts Richtung Luxemburg und Frankreich. Die notwendigen Prozeduren fürs Schleusen waren schnell gelernt. Am Ende der Tour sollten es dann über 290 Schleusen gewesen sein: Riesige Kammern wie Bollène (Rhône, 22 m Hub) oder kleine, wie auf den Kanälen des nördlichen Frankreichs, Schleusen mit Fest- oder mit Schwimmpollern, handbetriebene, mechanisierte oder automatische Schleusen, mit zumeist freundlichen Schleusenwärtern, gemeinsam mit dicken Frachtern, Passagierschiffen, Schubverbänden, Sportbooten oder ganz allein in der Schleuse. Hier bewährten sich das Bug- und das Heckstrahlruder. Insbesondere als der Mistral mit 6 bis 7 Bft. durchs untere Rhônetal fegte und sowohl das Schleusen mit achterlichem Wind als auch das Anlegen in den Sportboothäfen zu einer Geschicklichkeitsprüfung machte. Ohne die beiden Strahlruder hätten wir manchmal alt ausgesehen. Bei starkem Seitenwind wird es sogar mit Strahlruder schwer.
Töplitz bis Scharmützelsee
Seit der Wiedervereinigung hat der Wassersport im Osten Deutschlands eine rasante Vorwärtsentwicklung genommen. Die Gründe dafür liegen vor allem an der behutsamen, aber doch zielgerichteten touristischen Erschließung der weitläufigen Gewässerlandschaften, einhergehend mit einer enormen Verbesserung der über Jahrzehnte vernachlässigten Infrastruktur. Einen nicht unerheblichen Anteil am „maritimen Aufschwung Ost“ muss man den zahlreichen Charterfirmen zubilligen, die sich unmittelbar nach der Wende anschickten, zuerst sporadisch, dann aber massiv in den Kauf von geeigneten Schiffen und in den notwendigen Aus- oder Neubau der Hafenanlagen zu investieren. Inzwischen haben die meisten Anbieter recht ansehnliche Leihboote im Sortiment, mit denen auch weniger versierte Skipper auf Anhieb zurechtkommen. Einen exzellenten Ruf genießt die im brandenburgischen Töplitz ansässige Firma Yacht Charter Heinzig, die zu Beginn der Saison 2007 ihr 10-jähriges Bestehen feierte. Sämtliche 19 Motoryachten in Längen von 8,50 bis 13,00 m stammen aus niederländischer Produktion, das durchdacht konfigurierte und sehr komfortabel abgestimmte Equipment der stählernen Verdränger verdient ohne Ausnahme das Prädikat „Spitzenklasse“. Vor der Übernahme seiner Boote, die entweder in Töplitz oder ab der firmeneigenen Charterstation im mecklenburgischen Plau erfolgen kann, verlangt Inhaber Wolfgang Heinzig (60) im Regelfall einen Befähigungsnachweis in Form des amtlichen Sportbootführerscheins „Binnen“. Sondervereinbarungen sind jedoch prinzipiell möglich, die Konditionen werden auf Anfrage mitgeteilt.
Schottland – Kaledonischer Kanal
Manchmal kriegt die Eierschale des Blauen Planeten einen Sprung. Im Falle des Great Glen kam er für das Vorhaben von Thomas Telford gerade recht. Der Ingenieur wollte 1803 von Inverness nach Fort William quer durch Schottland einen Kanal bauen - der Grabenbruch des Great Glen hatte dafür schon hervorragende Vorarbeit geleistet. Wie ein gigantischer Schwerthieb hat die tektonische Bruchzone das schottische Hochland vor rund 380 Millionen Jahren gespalten. In der tiefen Furche entstand eine Kette langgestreckter Seen: Loch Ness, Loch Oich und Loch Lochy. Telford musste diese Seen seinerzeit nur noch durch kurze Kanalstücke verbinden, und schon war der Kaledonische Kanal fertig. Ab 1822 ersparte er den schottischen Heringsfischern den weiten und gefährlichen Umweg rund um die North West Highlands. Insgesamt 90 Kanal- und Seekilometer sind es von Inverness am Moray Firth im Norden bis nach Fort William am Loch Linnhe im Süden des Landes. Dazwischen finden sich viele steile Berghänge, die jäh und ohne Übergang in die Seen abfallen, viele Schafe, die das saftige Gras fressen, und viele Wolken, die immer wieder einen feuchten Schauer herantreiben. Selten sind dagegen Menschen, obwohl der Great Glen für schottische Verhältnisse sogar eher dicht besiedelt ist. Die einzige größere Stadt in der ganzen Region ist Inverness. Die Hauptstadt der Highlands ist eine schottische Boomtown. Vor allem Engländer sorgen in jüngster Zeit für ein veritables Bevölkerungswachstum. Die Neubürger schätzen die reizvolle Lage in dem breiten Tal des River Ness zwischen Meeresbucht und den umgebenden Bergen. Der Kaledonische Kanal führt leider nicht mitten hinein in die Stadt - das ist dem River Ness vorbehalten - er streift nur ihren westlichen Rand. Von zwei Anlegestellen aus lässt sich Inverness erkunden. Die Muirtown Locks liegen am nächsten zum Stadtzentrum mit dem auf Mittelalter getrimmten Castle aus dem 19. Jahrhundert, dem Inverness Museum und dem Highland House of Fraser, in dem jeder Schotte den Ursprüngen seines ganz persönlichen Familienoutfits nachforschen kann. Recht weit zum Zentrum ist es von der Anlegestelle oberhalb der Tomnahurich Swing Bridge. Dafür ist es von dort näher zur Bught Park Arena. In diesem Stadion treten alljährlich starke Männer bei den traditionellen Highland-Games an, um Steine, Baumstämme und Hämmer durch die Gegend zu pfeffern.
Belgien – Flandern
Schon seit längerem liebäugeln wir mit den Binnengewässern Flanderns, die sich im Norden Belgiens, vom linken Maasufer bis hinter den Seehafen Nieuwpoort, weit im Westen, erstrecken. Die Ortschaften und Städte, die wir dabei passieren, kennen wir fast alle. Aber eben nicht vom Wasser her. Die Reise wird uns durch Antwerpen, Gent und Brügge führen. Von Ostende aus soll es über die Nordsee zurück zum holländischen Vlissingen gehen, und von dort über Rotterdam, Gouda und Utrecht wieder ins heimische Lemmer. Für den kompletten Rundkurs sind vier Wochen vorgesehen. Wer keine Anreise benötigt, kann die Route durch Flandern gemütlich in 14 Tagen schaffen - ideal für einen Urlaub. Was die Proviantierung angeht, so können wir uns auf das Wichtigste beschränken: Auf die Getränke. Mineralwasser und Bier kaufen wir in Lemmer, weil die Holländer noch kein Pfand auf Dosen und kleine Plastikflaschen erheben. So können wir Leergut in allen Häfen entsorgen. Es soll uns nicht noch einmal so ergehen wie auf unserer Reise nach Berlin, auf der wir in Magdeburg Mineralwasser bunkerten, die leeren Flaschen jedoch später nicht mehr loswurden. Ein kleines, aber lästiges Übel, das viele Bootsleute monieren. Ob man einen solchen Törn durch Flandern empfehlen kann, hängt vom jeweiligen Temperament und der eigenen persönlichen Erwartung ab. Was einem dort begegnet, ist nicht immer das, was sich der durch die Niederlande verwöhnte Bootsfahrer vorstellt. Obwohl die belgischen Touristenbüros und der Verband „Promotie Binnenvaart Vlaanderen“ uns bei den Vorbereitungen tatkräftig mit Kartenmaterial und Broschüren (in deutscher Sprache) unterstützten, blieben manche Fragen so lange offen, bis wir sie vor Ort selbst klären konnten. Die meisten Fahrwege sind eben stark auf die Berufsschifffahrt abgestimmt, und der Bootstourismus steckt noch in den Kinderschuhen. Doch vielleicht macht gerade das den Reiz aus, in dieses noch nicht überlaufene, relativ kleine Revier Belgiens vorzudringen. Man darf nicht den Lohn vergessen, der einen erwartet, gelangt man doch in die europäischen Zentralen des Goldenen Jahrhunderts, allem voran Gent und Brügge.
Spanien – Katalonien
Katalonien ist eine autonome Provinz im Nordosten Spaniens. Die Grenze zu Frankreich und Andorra wird durch die Ausläufer der Pyrenäen gesäumt. Das Land definiert sich durch seine Autonomie und die eigene Sprache – das Katalanisch – was in dieser Region neben der zweiten Amtssprache Spanisch von allen Einheimischen gesprochen wird und auf den Speisekarten der Gaststätten stets an erster Stelle steht. Kleine Buchten, Steilküsten und einige feine Sandstrände säumen die Küstengewässer. Der Tourismus begann in den 1960er-Jahren. Von den Anfängen bis heute hat sich viel getan. Nicht immer nur Positives. Bausünden, die besonders in den Anfangsjahren der touristischen Entwicklung die Regel waren, prägen immer noch das Landschaftsbild. Doch man hat sich besonnen. Heute streben die Katalanen nach einem gehobenen Tourismus. Niveau tritt an die Stelle von Massenabfertigung. Das geben die Landschaft, Kultur, Bevölkerung und nicht zuletzt die kulinarischen Spezialitäten der Region auch leicht her. Landstriche ohne Betonbunker sind zahlreich vorhanden. Dem maritim beweglichen Skipper fällt es ohnehin leicht, die schöneren Küstenregionen mit ihren Naturbuchten und malerischen Häfen anzufahren. Die Möglichkeiten für unterschiedlichste Wassersportarten sind schier unerschöpflich. Es gibt nichts, was nicht angeboten wird. Vom Wasserski über Tauchen bis zum Segeln oder Paddeln ist alles im Programm. Aber nicht nur Wassersport ist angesagt. Es gibt eine Reihe von Golfplätzen und selbst eines der weltweit größten Zentren für Fallschirmspringer befindet sich in der Region. Eines ist sicher, wer sich in Katalonien langweilt, ist selbst Schuld.
Spanien – Rund Mallorca
Aus der Luft wirkt Mallorca riesig. Die spanische Mittelmeerinsel mit rund 615 000 Einwohnern, darunter ungefähr 50 000 deutschen Staatsbürgern, dehnt sich auf einer Fläche von 3684 km2 aus. Es gibt drei gewaltige Buchten, Bahia de Pollensa im Norden, Bahia de Alcudia im Nordosten sowie Bahia de Palma im Süden, und nicht weniger als 180 offiziell registrierte Strände. So unterschiedlich wie die Landschaftsformen im Inselinneren zeigen sich die 554 Kilometer Küstenlinie. Weite Teile des Nordwestens werden dominiert von der Terra de Tramontana, einem Gebirgszug mit steil aufragender Felsenküste, die sich von Cap de Formentor bis zum vorgelagerten Eiland Dragonera erstreckt. Höchster Berg – und nur wenige Kilometer vom wunderschönen Naturhafen Puerto de Sóller, der einzigen sturmgeschützten Marina an der Nordwestküste entfernt – ist der Puig Major mit 1445 Metern über dem Meeresspiegel. Charakteristisch für die südöstliche und südliche Region sind die malerischen Ankerbuchten, die manchmal sehr dicht aneinander liegen und dem Betrachter faszinierende Perspektiven und fantastische Fotomotive bieten. Aus dem Blickwinkel eines Skippers präsentiert sich die Insel als wahres Traumrevier, für dessen Erkundung man sich mindestens eine Woche Zeit nehmen sollte. Im noblen Club de Mar, der vom Aeroporto de Palma nach einer 15-minütigen Taxifahrt zu erreichen ist, sind wir mit Matthias Ebert vom deutschsprachigen Charterspezialisten Yates Alemanes verabredet. Hier erfolgt die förmliche Übergabe des Leihschiffes, einer neuwertigen Fountaine Pajot Highland 35, die aufmerksamen Skipper-Lesern vielleicht aus dem in Heft 7/06 veröffentlichen Testbericht bekannt sein dürfte. Der 10,35 m lange und 4,45 m breite GFK-Kreuzer mit Flybridge und fünf Kojenplätzen wird von zwei jeweils 55 kW leistenden Volvo-Dieseln angetrieben, die eine Marschgeschwindigkeit zwischen zehn und zwölf Knoten garantieren. Matthias Ebert empfiehlt uns, die Inselumrundung gegen den Uhrzeigersinn vorzunehmen, was, wie er betont, von den meisten Crews favorisiert wird. Nach der ausführlichen Einweisung versorgen wir uns im nahegelegenen Supermarkt mit einer Kofferraumladung Proviant. Dann geht es um die endgültige Bestimmung der Reiseroute – La Rápita soll das Ziel der ersten Törnetappe sein.