Idyll in der Nordsee
Es gibt wohl kein zweites Fleckchen Erde mit einer derart wechselvollen Historie. Doch auch touristisch hat Deutschlands einzige Hochseeinsel viel zu bieten und ist immer eine Reise wert.
Die geologische Geschichte des sagenumwobenen Nordsee-Atolls, dessen Fläche zusammen mit der vorgelagerten Bade-düne nur 1,7 Quadratkilometer misst, soll vor 200 Millionen Jahren ihren Anfang genommen haben. Einst erstreckte sich hier grünes Marschland, die Deutsche Bucht existierte noch nicht, und die flache Tiefebene zog sich von der schleswig-holsteinischen Geest bis zur Doggerbank. Wahrscheinlich wurde ein unterirdischer Salzstock aufgepresst, der Deckschichten anhob, die sich wiederum ablagerten und den damals mit dem Festland verbundenen Buntsandstein zurückließen. Im Laufe der Zeit schuf die Natur durch Verwitterung, Gezeiteneinfluss und die ewige Wucht der Brandung das spätere Gesicht des »Roten Felsens«.
Im Jahre 98 nach Christus sprach der Römer Tacitus in seiner »Germania« von einem »Heiligen Hain« inmitten des Meeres. Um 700 n. Chr. fand die Besiedelung der Insel ihre erste urkundliche Erwähnung. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts verbreitete der legendäre Seeräuber Klaus Störtebeker in der Deutschen Bucht Angst und Schrecken. Anno 1401 wurden seine Kaperschiffe in einer erbitterten Seeschlacht vor Helgoland vernichtet. Dass einheimische Fischer die Ruderanlagen der Piratenboote vor den Kampfhandlungen heimlich mit Blei ausgegossen hatten, um sie manövrierunfähig zu machen, ist eine Sage. Jedenfalls wurden Störtebeker und mehr als 70 seiner Gefolgsleute gefangen genommen und auf dem Hamburger Grasbrook geköpft. Helgoland blieb allerdings auch weiterhin ein bevorzugter Umschlagplatz für Schmuggelware und Zufluchtsort der Piraten. Seit 1714 unter dänischer Verwaltung, folgte im Jahre 1807 die Besetzung durch England. Am 1. Juli 1890 fiel das Eiland ans Deutsche Reich zurück. Vorausgegangen war der Sansibar-Vertrag, in dem vereinbart wurde, dass Deutschland sein Protektorat auf der ostafrikanischen Koralleninsel zugunsten der Briten abtrat. 1945 vereinnahmten die Engländer Helgoland erneut, um nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges alle Sprengstoffdepots durch die Zündung von 6.700 Tonnen Munition in die Luft zu jagen. Die komplette Südspitze Helgolands zerbarst und es bildete sich die heute so charakteristische Gliederung in Unter- und Oberland. Noch bis 1951 diente die Insel als Versuchsziel der Royal Air Force, dann gelang der deutschen Bundesregierung unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers die Freigabe.
Helgoland, das aktuell 1.400 Einwohner zählt, ist unter der nautischen Position 54°, 10′ 57“ Nord, 7°, 53′ 01“ Ost zu erreichen und somit 63 Kilometer von der niedersächsischen Stadt Cuxhaven an der Elbmündung entfernt. Etwas näher dran liegt der Küstenort St. Peter Ording, die Distanz beträgt 49 Kilometer. Dem Besucher steht es offen, ob er auf eigenem Kiel, mit dem Flugzeug, an Bord von klassischen Seebäderschiffen, oder, zum Beispiel ab Hamburg, mit einem fast 40 Knoten schnellen Hightech-Katamaran anreist. Falls man sich für die letztgenannte Möglichkeit entscheidet, kommt die zum Bundesland Schleswig-Holstein gehörende Nordseeinsel nach nur dreistündiger Passage in Sichtweite. Im vergangenen Jahr verbuchte Tourismusdirektor Klaus Furtmeier exakt 318.964 Helgoland-Besucher, davon wurden 250.302 als Tagesgäste registriert. Eine interessante Statistik, welche die ungebrochene Popularität des Eilandes als (Kurz-)Urlaubsdestination dokumentiert. Noch beeindruckender ist die folgende Zahl: Die traditionellen, aus massivem Eichenholz gefertigten Helgoländer Börteboote brachten in den vergangenen Jahrzehnten 20 Millionen Menschen von den vor Anker liegenden Seebäderschiffen auf die Insel. Neueren Datums sind die Baumaßnahmen im Bereich der Badedüne, die mit einem beinahe karibisch anmutenden Sandstrand aufwartet. Inzwischen stehen hier 25 adrette Ferienbungalows zur Anmietung bereit. Eine tierische Attraktion der Düne, und dies im wahrsten Sinne des Wortes, sind die putzigen Seehunde. Rund 100 wohlgenährte Pelzträger mit glänzenden schwarzen Knopfaugen räkeln sich tiefenentspannt am Strand. Nach wie vor unterliegt Helgoland nicht dem Zoll-Kodex der Europäischen Union.
Den ganzen Artikel lesen Sie in SKIPPER 10/2014
Text & Fotos: Peter Marienfeld