Turtle-Test 2014

Seepferdchen für Fortgeschrittene

Wer in einem Rennboot fahren will muss nach UIM einen Turtle-Test machen. Ein SKIPPERFrischling hat sich mutig versenken lassen, um den Ernstfall zu proben, und kopfüber einiges erlebt.

Ich höre es noch heute in meinen Ohren klingen: »Du setzt dich jetzt mal in so ein Rennboot rein. Wo ist denn dein Turtle-Test? Den musst du machen!« Turtle-Test, soso. Soviel vorab: Zumindest mir war anfangs noch nicht ganz klar, was auf mich zukommen wird und warum alle um mich herum gut Lachen hatten. Jetzt weiß ich es. »Lass dich überraschen«, hieß es auf meine neugierige Nachfrage. Hm, eigentlich mag ich keine Überraschungen. Und bereits Tage später durfte ich lernen: Ein Turtle-Test hat weder etwas mit Eingraben oder Verstecken noch mit einem Schwimmtest à la Seepferdchen-Abzeichen zu tun. Irgendwie ja auch kein Wunder: Rennfahrer entsprechen (in der Regel) dem Klischee von »gestandenen Mannsbildern«, wie wir im Süden zu sagen pflegen. Sie fahren gern am Limit, haben Tonnen von Adrenalin und viel Benzin im Blut. Bei einem Turtle-Test wird man in einem Aluminium-Gerüst angegurtet, das die Kanzel eines Powerbootes simulieren soll, mit einem Lungenautomaten ausgestattet und kopfüber in einem Schwimmbad versenkt. Dann muss man sich lediglich allein aus dieser Situation befreien und in eine bestimmte Richtung hinaustauchen – und dabei am besten auch noch freundlich lächeln. Na sauber. Worauf habe ich mich hier schon wieder eingelassen?! Also nochmals ganz langsam zum Mitfühlen: Kopfüber, eingespannt in einem Sportschalensitz mit einem 5-Punkt-Gurt, völlig orientierungslos – hatte ich kopfüber schon erwähnt? – nach dem Lungenautomaten suchen, sich aus diesem Sitz lösen und nach vorne hinaustauchen. Und mindestens zwei mal unter Wasser atmen. Aber nur ganz flach und »nicht zu hektisch, sonst ist die Flasche gleich leer«, wie mir mein Prüfer vor Ort noch erklären wird. Der besagte Samstagmorgen kommt schneller als mir lieb ist. Auf nach Nordwesten, nach Lorch am Rhein. Die Nacht davor war kurz. Vor allem mein Vater war eine große Hilfe, als er mich so gegen zwei Uhr süffisant fragte: »Du bist schon ein bisschen lebensmüde?!« Nö, eigentlich nicht. Nach fünf Stunden Fahrt werden wir sehr herzlich in Empfang genommen. Volker Lewalter wird heute diesen Test abnehmen. Er ist Rettungstaucher auf allen Rennen in Deutschland und der Einzige, der diesen Test zertifiziert abnehmen darf. Es kommt zunächst so etwas wie ein Gefühl der Sicherheit auf, bis Volker sagt: »Unter meiner Aufsicht ist noch keiner ertrunken!«. Danke Volker, das macht Mut. Da ich noch nie einen Lungenautomaten benutzt habe, musste ich unter fachmännischer Anleitung meine ersten Bahnen im lauwarmen Schwimmbecken tauchen. Da der Turtle-Test wichtig für die Sicherheit aller Fahrer ist, muss man die Anleitung exakt befolgen. Ziel dieser Übung ist es, den möglichen Ernstfall zu proben. Es passiert zwar sehr selten, dass sich eine dieser Kanonenkugeln überschlägt oder wie ein Kampfjet senkrecht in die Luft steigt; in solch einem Fall ist dieser Test, der jedes Jahr erneut von allen Fahrern absolviert werden muss, jedoch mehr als sinnvoll und kann Leben retten. In Volkers Worten klang der Ablauf einfach: »Ihr setzt euch da rein, gurtet euch an, unter Wasser führt Ihr das Mundstück zum Mund, atmet mindestens zweimal, steckt das Lenkrad ab und taucht in Fahrtrichtung nach vorne raus.« Der Grund dafür ist einfach: Während eines Rennens ist der Fahrer durch die Gischt des Vordermannes oft ziemlich »blind« unterwegs. Sollte während des Rennens eines der beschriebenen Szenarien eintreffen, werden die Fahrer über Funk informiert. Sie müssen sich augenblicklich sternförmig von der Strecke entfernen und an die Box fahren. Der Unglücksfahrer soll sein Boot erst verlassen, wenn er nichts mehr hört. Wasser ist ein sehr guter Schall-Transporter: Wird das Pfeifen leiser oder verstummt – das Drehen einer Schraube unter Wasser klingt wie ein Torpedo aus dem Film »Das Boot« –, kann er gefahrlos raus. Grundsätzlich sind die Rennboote der Klasse ADAC Cup und der Masters mittlerweile aber so sicher, dass selbst bei einer Kollision zweier Rennboote wenig passiert. Volker und seine Crew haben den Anspruch, »jeden in drei Minuten rauszuholen.« Das ist ganz schön knapp: Eine Minute bis zum Unfallort, eine, bis der Verunfallte im Rettungsboot sitzt, und eine weitere, bis man wieder an Land ist. Dabei wird mit Vollgas an Land gefahren, denn für Anlegemanöver am Steg ist bei einem Unfall keine Zeit.

 

Den ganzen Artikel lesen Sie in SKIPPER 05/2014
Text: Christopher Stützel, Fotos: Philip Esser, Oliver Hiller

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