Schwedisches Idyll
Es gibt viele wunderbare Reviere im hohen Norden Europas, und gleich mehrere davon befinden sich in Schweden. Mit einem Charterboot bereisten wir den Dalsland-Kanal – das Gewässer ist ein Naturerlebnis.
Dalsland, eine kulturhistorisch und auch unter touristischem Aspekt bedeutsame Provinz im Südwesten Schwedens, ist ein Paradies für den Naturliebhaber. Glasklare Seen mit steil emporragenden, bizarren Felsformationen sind in sattgrüne Wälder mit tiefen Tälern eingebettet. Inmitten dieser urwüchsigen skandinavischen Landschaft verläuft der Dalsland-Kanal, der nicht nur für Paddler und Kanuten, sondern auch für den Motorbootfahrer ein lohnendes Ziel darstellt. Der legendäre britische Reisejournalist Roger Pilkington bezeichnete das prächtige Gewässer einst als »schönsten Kanal der Welt«. Ob dies so ist, muss jeder Betrachter selbst entscheiden. Es handelt sich jedoch mit Sicherheit um eine der reizvollsten Binnenwasserstraßen in Europa. Von der Schleusenstation Köpmannebro am Westufer des gewaltigen Vänern-Sees führt der 254 Kilometer lange Dalsland-Kanal, in dessen Verlauf lediglich zwölf Kilometer von Menschenhand gegraben wurden, zunächst zum berühmten Aquädukt von Haverud. Fortan beginnt ein regelrechtes Seenlabyrinth. Gen Norden zweigen an Steuerbord die riesigen Seen Västra Silen und Östra Silen ab. Die Passage führt, wieder in Nordrichtung, über die Ortschaft Lennartsfors und den verwunschenen Foxen-See nach Töcksfors. Etwa 19 km weiter ist bei Östervallskog der nördlichste Punkt des Gewässers erreicht. Auf Südkurs nähert man sich der norwegischen Ostgrenze und nimmt mit dem sagenumwobenen Stora Le einen Bilderbuch-See unter den Kiel, um schließlich in der 3.000-Seelen-Gemeinde Ed zu landen. Wer dieses grandiose Revier erkunden möchte, sollte sich Zeit nehmen und mindestens sieben bis zehn Reisetage einplanen. Trailerboote können in mehreren Gasthäfen von gut befestigten Rampen geslippt werden. Chartern ist ebenfalls möglich. Auskünfte erteilt die in Haverud ansässige Kanalgesellschaft Dalslands Kanal AB, die sogar ein eigenes führerscheinfreies Leihschiff anbietet – eine Nimbus 2600.
TECHNISCHES MEISTERWERK
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts debattierte der schwedisch-norwegische Unionsreichstag über eine Lösung, wie die langgestreckten Seen der Nachbarprovinzen Dalsland (»Land der Täler«) und Värmland durchgängig verbunden und somit schiffbar gemacht werden könnten. Man entschied sich für den Bau eines Kanalsystems, wobei die schnelle Realisierung eines solchen Vorhabens zur damaligen Zeit äußerst schwierig war. Doch mit dem genialen Ingenieur Nils Ericson, der bereits den Trollhätte-Kanal konstruiert hatte und federführend an der Entwicklung der schwedischen Eisenbahnlinien beteiligt war, wurde ein Meister seines Fachs engagiert. Das Hauptproblem bestand darin, den künstlichen Wasserweg an den mächtigen Stromschnellen von Haverud vorbeizuführen. Dazu war nach Ansicht vieler Experten ein kompliziertes Umladen der Güter auf Landfahrzeuge vonnöten, doch Ericson plädierte dafür, die Wasserfälle mit einer Fahrrinne aus Stahl zu überbrücken. Innerhalb ganzer vier Jahre, von 1864 bis 1868, wurde das kühne Projekt in die Tat umgesetzt. Die feierliche Einweihung des Dalsland-Kanals erfolgte am 20. September 1868 im Beisein des Schweden-Königs Carl XV. In den Folgejahren gewann der Güterverkehr auf der Schiene rasch an Bedeutung, so dass das hochgelobte Mammutbauwerk seine Funktion als kommerzieller Transportweg nach und nach einbüßte. Wer den Dalsland-Kanal heute mit dem Boot oder als Passagier eines Ausflugsdampfers bereist, muss 31 Schleusen, die sich auf 17 Stationen verteilen, und einen Höhenunterschied von 66 Metern überwinden.
Den ganzen Artikel lesen Sie in SKIPPER 04/2014
Text & Fotos: Peter Marienfeld